Wir haben vielleicht nicht alle Antworten, doch wir haben definitiv die ein oder andere Frage. In
diesem Fall gehen unsere Fragen an Andrea Bandorfer. Als Golf- und Mental Coach kennt Andrea
den Golfsport aus mehreren Blickwinkeln und ist daher der ideale Gesprächspartner so kurz vor
der Saison.
1.) Bei kaum einer anderen Sportart ist die spielerische Leistung so stark von der mentalen
Leistung abhängig, wie beim Golf. Ist es das, was Dich am Golf fasziniert und zu Deiner
Doppeltätigkeit, als Golf und gleichzeitig als Mental Coach geführt hat?
Als ich mit Golfspielen anfing fiel mir das „Erlernen“ der Technik relativ leicht, ich bin schnell voran
gekommen…sicher nicht perfekt in der Bewegung, aber ich habe den Ball ganz gut getroffen und
gute Scores gespielt. Aber ich war der klassische „Trainingsweltmeister“. Privat hat alles
wunderbar geklappt und im Turnier sind sehr oft die Nerven mit mir durchgegangen. So hat mich
meine Neugierde schnell zum Mentaltraining/coaching geführt und ich habe die Ausbildung
gemacht. In der Arbeit mit Spielern ist mir aber auch schnell klargeworden, die Übergänge
zwischen Technik und Mental sind fließend. Themen wie Coursemanagement/Taktik, Ernährung all
das gehört zusammen… Und so habe ich mich entschieden die Ausbildung zum PGA Pro auch
noch zu machen um Spieler sozusagen allumfassend beraten zu können.
2.) Die URL Deiner Website lautet mentalepower.com. Wir dachten früher oft, dass Profis,
beziehungsweise gute Spieler im Allgemeinen, alles jederzeit im Griff haben und mentale Power
fast schon eine Art Superkraft wäre. Wir hatten damals sehr wahrscheinlich eine falsche
Vorstellung. Gerade durch Freddys Zeit in den USA haben wir festgestellt, dass auch Profis
genauso oft mit Nervosität zu tun haben, wie Amateure. Der Schlüssel liegt meist im Umgang
damit. Wie definierst Du mentale Power und wie stellen wir fest, dass unsere mentale Power
zunimmt?
Meiner Meinung nach ist Mentale Power der Überbegriff für eine Vielzahl von Skills, die jeder guter
Spieler beherrschen sollte. Es gehören Fähigkeiten wie z.B. Zielsetzung, Vorstellungskraft,
Selbstvertrauen, Fokus, Atemkontrolle, Angst Management und Körpersprache dazu. Wenn ich
mein Spiel kenne, wenn ich weiß welche Bereiche mir Probleme machen, dann weiß ich auch was
ich trainieren sollte – und da kann man sich unser Gehirn wie einen Muskel vorstellen… Besser
werden kann sich dann in vielerlei ausdrücken, je nachdem was meine Themen sind. Sicher auch
in besseren Scores, aber auch wenn ich vor einem Turnier gut schlafen kann, wenn ich mehr Spaß
auf einer Turnierrunde habe…oder besser mit schlechten Schlägen/Runden umgehen kann.
3.) Was unterscheidet Deiner Meinung nach einen guten von einem sehr guten Spieler und einen
sehr guten Spieler von einem Profi - spielerisch wie mental?
Ich glaube Profis haben oft einen klareren Plan, sowohl für Ihr Training als auch für ihr Spiel auf
dem Platz. Sie gehen realistischer mit ihren Stärken und Schwächen um. Spielerisch betrachtet
sind sie durch mehr Routine viel mehr in der Lage ihren Schwung automatisiert ablaufen zu
lassen, haben den Fokus weniger auf Technik beim Spielen. Sicher geraten auch sie mitunter in
eine sogenannte Closed Loop Schleife, aber sicher deutlich weniger als gute Amateure. Je besser
ein Spieler – desto besser auch seine Taktik, sein Spielplan. Je besser, desto klarer die Idee von
dem Schlag, den sie machen wollen. Ich denke auch, daß Profis sich weniger davor scheuen Hilfe
von einem Mentalcoach anzunehmen.
4.) Du schreibst auf Deiner Website, dass Du keine Wunder versprichst. Wir sind jetzt einfach mal
so frei und behaupten das Gegenteil. Das hat folgenden Grund: Immer wenn wir das Gefühl
hatten, dass wir stagnieren, hat uns ein Mental Coach weitergeholfen und die Blockade gelöst, die
wir auf dem Golfplatz nicht auf die herkömmliche Art lösen konnten - durch eine erhöhte Anzahl an
Trainerstunden beispielsweise.
Vielen Anderen geht es, unserer Erfahrung nach, ähnlich. Eigentlich ist es doch sehr schade, dass
wir erst auf die Blockade warten, um etwas zu verändern. Andererseits wissen wir ohne die
Blockade oft nicht, dass wir etwas verändern müssen.
Da nicht jede Blockade allzu offensichtlich ist, raten wir unseren Lesern dazu, das eigene Spiel zu
analysieren und die eigene Leistung zu messen. Wie stehst Du zum Thema und zu welchen
Analyse Methoden rätst Du Deinen Schülern?
Ich glaube, die beste Analyse findet immer auf dem Platz statt. Am besten während eines Turniers
oder wenn ein gewisser Druck herrscht. Dort wo es darauf ankommt, die eigene Leistung
abzurufen. Dort kann ich dann feststellen, ob es gelingt und auch an welchen Stellen nicht?! Da
geht es dann nicht ohne Beobachten und Aufschreiben. Die klassische +-o Methode: + für guter
Schlag, o für passabel und - für „Strafschlag“ droht. Das – wird in technische und taktische Fehler
eingeteilt. Wenn man nun nach einer Runde den Score der einzelnen Löcher zueinander in
Relation setzt, werden meist schon gewisse Muster sichtbar. Z.B. der Umgang mit schlechten
Schlägen, wie schnell stecke ich etwas weg? Spiele ich die ersten Löcher immer schlecht, wie
schnell komme ich in ein Turnier? Thema: erstes Tee… etc.pp. Am liebsten begleite ich die Spieler
auf ihren Runden, versuche ihre Gedanken zu lesen – oft schreibe ich die Analyse und im
anschließenden Gespräch kristallisiert sich schnell das „dickste“ Thema heraus. Bei der
anschließenden Arbeit geht es dann oft noch mehr in die Tiefe…
5.) Wir glauben, dass vielen Anfängern gar nicht bewusst ist, wie positiv Mentaltraining sich auf
das eigene Spiel von Anfang an auswirken kann. Möchtest Du eine Erfolgsgeschichte von einem
Deiner Schüler teilen, die zeigt, wie hilfreich Mentaltraining sein kann?
Ich denke auch, daß man ruhig früh damit anfangen sollte. Einer meiner Schüler, sehr ehrgeizig,
hat sich von Anfang an sehr unter Druck gesetzt und war in Turnieren dementsprechend
verspannt und hat nicht das Golf gespielt, das er eigentlich schon konnte.
Er hat sehr oft die ersten Abschläge verhauen, Strafschläge kassiert und ist dann in eine Spirale
nach unten geraten. Wir habe angefangen an der Wahrnehmung seiner Körperspannung zu
arbeiten, ihm ist der Zusammenhang zwischen mentaler und körperlicher Anspannung bewußter
geworden. Gerade beim Golfen sind hochgezogene, verspannte Schultern ein wirksames Gift
gegen gute Schläge… Wir haben Atemtechniken in seine Pre Shot Routine eingebaut. Er hat
gelernt, seine Anspannung als Konzentration wahrzunehmen – und sich zwischen den Schlägen
zu entspannen. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
6.) Welche Fehler beobachtest Du des Öfteren, wenn Du Amateuren auf dem Platz oder auf der
Range zuschaust?
Ich glaube, die meisten haben das Spiel gar nicht verstanden. „Gutes Golf = so wenig Schläge
wie möglich machen…“ Nicht: einen Eimer Bälle nach dem anderen mit dem Eisen 7 irgendwohin
auf die Range hauen, einen „schönen“ Schwung haben wollen, den längsten Drive zu haben,
Spielen auf dem Platz vs. Training auf der Range, ein Course-Management zu haben, um mal
einen Ausschnitt zu nennen.
7.) Sind sich die Meisten dieser Fehler bewusst, wenn sie mit Dir zusammenarbeiten? Oder
kommen viele im Glauben zu Dir, dass ihr „Fehler“ ein ganz anderer ist?
Die meisten wissen recht gut, woran es hapert. Allerdings sind ihnen die Gründe oft nicht bewußt
oder sie wollen sie „noch“ nicht sehen?
8.) Hast Du eine Lieblings-Trainingshilfe oder eine Lieblings-App?
Um sein Spiel besser kennenzulernen ist die App „bebrassie“ meiner Meinung nach unschlagbar.
Es braucht nicht viel Zeit um die Runden nachzuarbeiten und man bekommt ein breites Band an
Informationen über das eigene Spiel, Strokes Gained, Schlaglängen…mit diesem Wissen kann ich
mein Spiel besser planen. Auf mentaler Ebene arbeite ich gerne mit der „Ampel“ für „Golfen im
grünen Bereich“. Und ich nutze auch etwas Ähnliches wie ihr, die FOKUS-Scorekarte um sich für
die Runde besser auf bestimmte Themen zu fokussieren.
9.) Haben wir Dich irgendetwas nicht gefragt, das Du noch gerne loswerden möchtest? Hast Du
eine abschließende Message?
Ich glaube das Wichtigste, das ein Spieler, neben einer ordentlichen Golftechnik, auf dem Platz
braucht ist: Selbstvertrauen. Es braucht Erfolge um zu wachsen, das ist eine Kette…mehr Erfolg
führt zu mehr Selbstvertrauen.
Unsere Gedanken entstehen im Kopf als Reaktion auf Alles, was wir wahrnehmen und vor Allem,
wie wir es bewerten – erst dadurch entwickeln sich Gefühle…die dann unser Handeln
beeinflussen. Wenn es meinen Spielern gelingt ihre Gedanken in günstigere Richtungen zu lenken,
auch ihre kleinen Erfolge wahrzunehmen, haben sie positivere Gefühle und sind besser in der
Lage ihre Leistung abzurufen…was zu besseren Schlägen führt. So kann Schlag für Schlag
Selbstvertrauen entstehen.